Eremo delle Carceri, der Ruheort des heiligen Franziskus
Das Eremo delle Carceri ist ein Wallfahrtsort im dichten Wald des Monte Subasio, ca. 4 km von Assisi entfernt und 800 m hoch gelegen, wo sich der heilige Franziskus und seine ersten Mitbrüder einsperrten, um sich hier zur Andacht zurückzuziehen, ein schlichtes Leben zu führen und hingebungsvoller zu beten. Das Wort Carceri, das verwirren könnte, bedeutet nicht Gefängnis, sondern kommt aus dem lateinischen carcer, was so viel wie einschichtiger, einsamer Ort bedeutet. Daher leitet sich der Begriff carcerare ab, der sich auf Mönche bezieht und deren Art beschreiben soll, sich als Einsiedler zum Beten zurückzuziehen. 1215 schenkten Benediktinermönche dem heiligen Franziskus das Eremo delle Carceri, das zu den wichtigsten Orten des Lebens des heiligen Franziskus wurde: Versunken in einen stillen, friedlichen jahrhundertealten Steineichenwald folgte hier der heilige Franziskus seiner Berufung und lernte, hingebungsvoll zu beten. Durch einen engen Durchgang kommt man zur Grotte des heiligen Franziskus, wo laut Geschichtsschreibung zu Franziskus von Assisi der Heilige seine erste wahre Meditation erlebte und ein anderer Mensch wurde. Eine andere Geschichte ist die des heiligen Rufinus, eines Gefährten des heiligen Franziskus, dem es gelang, dem Teufel zu widerstehen. Es wird erzählt, das Loch im Boden der Grotte habe der Teufel verursacht, als er besiegt wurde und in den Abgrund versank. Fälschlicherweise meinen viele, dass die berühmte Vogelpredigt des heiligen Franziskus hier stattfand, aber historische Quellen haben die Legende definitiv mit Piandarca, einem Ort in der Gemeinde Cannara, verbunden.
Dank des Einfallsreichtums und der Kreativität der Mönche wurde die Struktur im Laufe der Zeit, vor allem im 15. Jahrhundert, auf Wunsch von Bernhardin von Siena erweitert. Im kleinen Kreuzgang des Wallfahrtsortes kann man den berühmten Brunnen des heiligen Franziskus sehen und einen reizvollen Ausblick über eine Schlucht des Subasio auf die Ebene von Spoleto genießen. Vom Kreuzgang aus kann man alle spirituellen Wunderwerke dieses Ortes erkunden: das kleine Kloster, ein Meisterwerk franziskanischer Schlichtheit und perfekter Harmonie; die kleine Kapelle S. Maria Maddalena, in der Bruder Barnabas von Terni begraben ist, der 1462 den „Monte di Pietà” von Perugia erfand und gründete, eine Einrichtung zur Unterstützung von Bedürftigen, die gegen Pfand einen zinsfreien Kredit bekommen konnten; das Oratorium Santa Maria, wo sich der Heilige mit seinen Mitbrüdern traf, um gemeinsam zu beten. Am Ende verbindet eine Brücke die Einsiedelei mit dem anderen Teil des Waldes, wo man noch die Grotte von Bruder Leo und anderen Mitbrüdern des Heiligen sehen kann. Das ganze Jahr über ist es möglich, von der örtlichen Ordensgemeinschaft aufgenommen zu werden, um in die Stille und die unberührte Natur dieses stimmungsvollen Ortes einzutauchen und das Leben des heiligen Franziskus nachzuvollziehen und zu erkunden.